Derdie Dada

24. Januar 2025 von Paul Dorn

Rezension Herbst 2024

Der die Dada – die Unordnung der Geschlechter

Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Hans Arp – Museum Rolandseck

Fassen wir uns kurz –

Einiges mir unbekanntes Photomaterial, (was meinetwegen nicht viel zu bedeuten hat).

Viel bekanntes Photomaterial.

15 Aufsätze von Autorinnen.

In der Ausstellung viele seltene Arbeiten, Photos, Texte, Malereien etc.

Vorwort: viel Sprachschwurbel, K.u.K. – Kunstgeschichte und Katalog-Sprechhülsen. Danksägungen. Recht oberflächlich dahergeschrieben. Elsa v. Freytag-Loringhoven als Cyberpunk zu bezeichnen ist nur dämlich bzw. eins von den absichtlichen Stürmchen im Schnapsgläschen und die Vernissagen-Onkels mit den riesigen, dicken, schwarzen Brillengestellen finden es oh so gewagt.

Die Dadaistinnen und der kulturhistorische Kanon, Ina Boesch:

weist zu Recht auf den von Männern dominierten Kanon hin. Frage: Wieso sollte Tzara nicht als Kulturvermittler agieren? – Nebenbei ist bekannt, dass die Dadas von damals selbst zur Zeit des 50 jährigen Jubiläums die Dadaistinnen noch unter den Teppich gekehrt hatten.

Elastikakt, Ursula Ströbele:

Der Aufsatz wäre eher auf die starre wilhelminisch-viktorianische Bürgerlichkeit zu gewichten. Die Autorin hüpft von einem Objekt zum anderen – Kautschuk nicht mit Koks verwechseln. Überhöhungen.

Dada-Paare, Christa Baumberger: Zu kurzer Text, um mehr als Oberfläche herzugeben.

Sophie Taeuber-Arps frühe Arbeiten, Astrid von Asten:

Schon wieder eine der wenigen bekannten Dadaistinnen. Was für Abarbeitungen immer an den selben paar Personen. Wie wäre es, hej: Mehr Text, weniger Fussnoten? 4 Seiten Text, 1 Seite Kleingedrucktes!

Hans Arp im Wirkungskreis von Dada Zürich, Astrid von Asten:

Bunte oberflächliche Beschreibelei und als ob es nicht schon hunderte von Büchern über Arp gäbe.

Spiel mit den Geschlechtern, Helene von Saldern:

Die Aufreihung von Infinitivsätzen wirkt katatonisch. Crossdressing u. ä. Ausdrücke: Ummünzungen von möglicherweise simplen Provokationen & Spielereien per Modevokabular zur gegenwärtigen Chic von irgendwelchen Plurisexualitäten… Nach dem 1. Weltkrieg (Fabrikarbeit der Frauen) waren in den 20er Jahren Frauen in Hosen nicht mehr so aussergewöhnlich, nicht? Im Theater war es (Angst vor zuviel Sexualität) viele Jahrzehnte Brauch, dass Männer Frauen spielten (Hosenrollen), so what? – Wäre eventuell der Hinweis angebracht, dass beide Geschlechter Anteile des anderen beinhalten? Es gibt nicht nur schwarz-weiss Mann-Frau…

Gabrielle Buffet-Picabia, Agathe Mareuge:

Name von Gabriële falsch. Positionierungsstrategien: Blödwort. Klingt nach neoliberalem Managerverhalten; das unterstellt totalen Willen. Vielleicht schlecht übersetzt. – Ein sehr guter Aufsatz, der sich mit der „doppelten Falle“ der Unsichtbarkeit der Dadaistinnen auseinandersetzt, erstens der von den Männern chauvinistisch besetzte Vordergrund, zweitens das bei Frauen üblichere Arbeiten für die Sache, denn für das Ego, drittens die vielseitigeren Horizonte der Frauen.

Musidora, Brygida Ochaim:

Irma la Vep wurde von den DadaistInnen sehr geschätzt, weil sie, die Hauptfigur in diesen Krimis ein Bösewicht ist, die Umkehrung der Verhältnisse. Wobei die Dadas auch andere Filme und SchauspielerInnen geschätzt haben. Der halb filmographische Beitrag hat nicht eigentlich viel mit Dada zu tun. Interessanter wäre vielleicht eine Darstellung der Beziehungen zwischen den Pariser Dada-istInnen und verschiedenen Künstlerkreisen, siehe „Kikis Paris“ (Kiki de Montparnasse).

Le coeur à gaz, Astrid von Asten:

Frau von Asten, schon wieder bloss so autistische Infinitivsätze, oh bisweilen ein Komma, also Teilsatz, bisweilen ein eingefügter Nebensatz. Handy-Generation? Auf 5 Seiten Text 3 Seiten Fuss-schweiss – äh, -noten. Packen Sie das doch in den Text, ergäbe 8 Seiten!!

Kurt Anna Schwitters, Isabel Schulz:

Übererklärungen, Tendenz zu kunsthistorischer Schwurbelei, Gelahrtheit ohne irgendwohin zu gelangen (wie denn?) bei 3 Seiten Text.

Köln Dada, Joëlle Warmbrunn:

Ein mediokrer Kurzfurz, 3 Seiten Text, 1 ½ Seiten Fursnoten. Fragwürdig.

New Yorker Dada-Frauen, Talia Kwartler:

Der Text ist gut; gerne wüssten wir viel mehr über Beatrice Wood, Clara Tice, Louise Norton und Mina Loy. Aber leider endet der wiederum kurze Text abrupt. Bringt doch diese frühen „Fanzines“! Bilder, Texte, zeigt uns die New Yorker Dada-Welt und nicht bloss ein Hinweis-Sätzchen.

Barbara Visser – Elsa von Freytag-Loringhoven, Simone Gehr:

Unnützer Kurztext. Visser hatte hier im Kunsthaus Zörich eine Ausstellung: irgendwie bloss Kunst… Was sollen wir mit einer digitalen Haut von E.v.F-L., die ich – ui ui! – die ich auch von innen ankucken kann? Ist das Hineinversetzen? Dada ist leider keine Kunst, sondern ein Geisteszustand (Huelsenbeck 1920), siehe dazu auch im Kapitel über Gabriële Buffet-Picabia.

dada wird euch ähneln, Nora Gomringer:

Irgendwelches Gerede einer Art Aftermieterin. Gell, ich kann auch Fremdwort.

Katalogteil in Bild und Wandtexten (entsprechend der Ausstellung):

Die Wandtexte sind teil ungenau; nun im Katalog werden sie auch aus Rolandseck hinaus verbreitet werden. Wieso kein Komplettabdruck von „Le coeur à Gaz“, wunderbares Heft! Wie schon gesagt: Wieso nicht mehr von den New Yorker Dadaistinnen? Auch von Marta Hegemann wüssten wir gerne mehr, von Angelika Hoerle… alles so hierarchisch unterwegs, diese Anbetung des bereits bekannten.

Fazit: Alles kurze Aufsätze, denen es selten gelingt, in die Tiefe zu gehen. Frau arbeitet sich dazu an bekannten Figuren ab mit meist schon lange bekannten Informationen; fast kein Neuland, wo es so viel herauszufinden und darzulegen gäbe. Dafür richten sich die Bemühungen teils eher auf die Zurechtbiegung der Ausstellung auf den plurisexuellen Zeitgeist, gegen den ich an sich nichts habe. Eine wirklich vertane Chance.

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