Die Dada

5. Juni 2015 von Paul Dorn

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Die Dada
– Ein Full House von Dadaistinnen –

Es gibt auch bezüglich Dada einen Kunst- und Literaturkanon, recht gut publiziert von Rowohlt bis Reclam. Bemerkenswert, dass die darin publizierten Texte meist dieselben sind; immerhin kann man sagen, diese Anthologien sind gute Einstiege ins Thema.
O Anna Blume – sowohl Dada wird reduziert oder gesiebt, als auch die einzelnen Dada-KünstlerInnen.
Dadaistinnen… Sophie Taeuber-Arp, Emmy Hennings, Hannah Höch. Und dann wird die Luft rasch sehr dünn. Wieso das? Ist es die Oberflächlichkeit nach dem Motto: „Klassische Musik? – Mozart.“ und damit hat sich’s? Oder unser hohler Leistungszwang der immer eineN BesteN aufs (Sieger-) Podest zwingt? Arme Künste und Künstler – haben diese doch eigentlich mit den immensen Vielfalt von Facetten des Ausdrucks und nicht mit vertikaler Leistung zu tun.
Ein jedenfalls wichtiger Grund dafür, weshalb 95% der DadaistInnen unter den Teppich gekehrt wurden: Bei aller Avantgarde scheint es, dass das traditionelle Rollenbild Mann-Frau auch bei Dada damals fröhlich Urständ feierte. Auch später, memoirisierend, sogar in ziem-lich ignoranter Manier fuhren die Herren Dadaisten damit fort, die Frauen abzuwerten. Das lässt einen selbst als langjährigen Dada die Augenbraue hochziehen. Eigentlich könnte man sich angesichts dessen fast wundern, dass Sophie Taeuber-Arp es überhaupt auf die 50er-Banknote geschafft hat! Immerhin wurde auch 1993 eines ihrer Werke zu ihrem 50. Todestag auf einer schweizer Briefmarke abgebildet.
Ina Boesch öffnet mit ihrem Buch eine lange verschlossene Türe. Sie ermöglicht 59 Dada-istinnen, sich vorzustellen. Nebenbei war Dada schon vor Dada da – 1915 in New York. Aber She-Dada war der Anfang davon – Elsa von Freytag-Loringhoven war die Inspiratrice von Marcel Duchamp! Höflicherweise nimmt die Herausgeberin dies und anderes den MitautorIn-nen des zweiten Teils des Buches, welches fünf She-Dadas vertieft vorstellt, nicht vorweg. Ina Boesch schreibt leicht, frisch, direkt und trotzdem ist sehr gut spürbar, welch grosse Menge gut recherchiertes Material in diesem Buch steckt. Ganz selten kippt der Text in Spezialwissen, wie beispielsweise in einigen Sätzen im Kapitel über die Musikerinnen.
Die Kapiteleinteilung bezieht sich auf die „künstlerischen Berufe“ der Dadaistinnen. Ein Vergnügen, alle diese Kapitel zu lesen, wird doch das jeweilige Thema eigentlich nie durch-gezogen. Wie wäre es auch möglich bei Dada, da die vorgestellten Persönlichkeiten oft sehr vielseitig waren. Der Faden der Erzählung wirkt ein Gewebe, indem er abschweift, zitiert, einschliesst, Anekdoten anfügt; es entspricht durchaus den turbulenten Zeiten Dadas damals. Ebenso sympathisch ist es zu merken, dass auch die Dadaisten ganz ungezwungen, sogar recht umfänglich Platz im Buch haben. Ina Boesch zelebriert keinen Radikal-Feminismus. Eine strikte Darstellung wäre auch schwierig; merkwürdig aber, dass es für die Männer leichter ist/war, so Mono zu fahren… Autsch, unsere Sehgewohnheiten.
Diesbezüglich schade, dass der Buchumschlag ein etwas billiger Griff in die Typographie-Wunderkiste ist, ebenso die etwas verwurstelte Platzierung der Lebensläufe der She-Dadas , wenn zwei auf einen Seitenrand drauf mussten. Das Prinzip der seitlich den Text begleitenden Biographien ist allerdings eine schöne Lösung.
Man möchte Frau Boesch wünschen, dass eine Zweitauflage doppelt so dick sein wird, viele Stellen im Buch riechen nach mehr, vom Leben der She-Dadas.
Oder hoffen wir, dass von diesem Strauss auch noch die Stängel und Blätter samt Vase publiziert werden können – alle die angesprochenen Orignialtexte und Werke der Künstlerinnen.
Dieses Buch könnte auch ein Ansporn für weitere Forschungen sein.
Dieses Buch ist nicht nur „ein wichtiger neuer Beitrag zu Dada“, es ist eine grundlegende Arbeit, welches Dada um eine Dimension beziehungsweise eine Potenz erweitert.
Dada ist nach wie vor ein Genuss, ein Vergnügen, Kichern und Lachen! Her damit!

„Die Dada“ Hrsg. Ina Boesch, Scheidegger & Spiess, Zürich 2015 – 29.- Fr./€

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