165 Dada ist Innen

9. Mai 2020 von Paul Dorn

165 DadaistInnen

25.IV.2020

Eine Publikation des Cabaret Voltaire, angelegentlich der sgrafittischen Kratzmalung samt einer Ausstellung ebendieser DadaistInnen in die Gewölbedecke des Ausstellungsraums des Cabaret Voltaire 2013, Horizont 2016. Der Satz passt.

Zu den Vorworten

Eine Menge Vorworte, dafür sonst keinen Text im Buch, ausser den Lebensdaten der 165. Die Vorworte klingen nach Sonntagspredigten, das eine mehr salbig, ein anderes mehr mit Zitaten dekoriert, ein weiteres ein Allerweltsgeschwurbel; das von Adrian Notz, Direktor, liefert immerhin einige Informationen zur Auswahl der 165, noch mehr Zitate und seltsam religiöses Zeug dann. Was wollten sie alle eigentlich sagen? Am Ende wirkt alles wie Taschentuchwinken „Gute Fahrt! – schön, dass sie weg sind.“

Mark Divo und die Hausbesetzer, die eigentlichen Retter des Cabaret Voltaire-Hauses, werden komplett unterschlagen, eine ignorante Selbstgefälligkeit und Unehrlichkeit.

 

Die Ausstellung trägt den Titel „Dada in nuce“ – bedeutet das: Da da, du Nuss? Aber die Nuss bleibt hohl:

Die Systemisierung der 165 in vier Kategorien Überdada, PräsidentIn, Oberdada, Dada-SoldatIn ist schlichtweg dumm.

Grundsätzlich ist eine Kategorisierung, Hierarchie bei Dada ein Blödsinn, weil es dem Wesen von Dada widerspricht, zweitens haben die Dadas sich schon damals alle zu PräsidentInnen ernannt, drittens trug (nur) Johannes Baader den Titel des Oberdada – und: Viele Dadas haben den 1. Weltkrieg abgelehnt und nun werden sie zu SoldatInnen gemacht? Oder werden sie aus einer Hihi-lustik-Arroganz heraus zu kopflosen MitläuferInnen abgewertet?

In den Kurzbiographien taucht als Stichwort noch „Kompetenzen“ auf – ein wirklich schäbiges Wort aus dem neoliberalen Nutzen-gleich-Geld-Vokabular, man überlege die Wirkung hier. Natürlich kann man das als dadaistisch bezeichnen, aber dann wird Dada zur anything-goes-Beliebigkeit verwässert und verlächelt, was es NICHT ist.

Einige der Portraitphotos der 165 sind wenig bekannt, sonst nur das Ewiggleiche an Abbil-dungen; Hauptsache, das Buch wird dick. Es schleicht sich der Eindruck an, dass mit wenig Plan, vielleicht auch aus Zeitmangel eine Publikation hin musste.

Für die Kurzbiographien zeichnet eine Person verantwortlich, nennen wir sie ’mal Aline Juchler. Höchstwahrscheinlich versteht der Person keine einzige Fremdsprache und hat selbst Deutsch schlecht im Griff. Oft sind die Texte irgendwie dahergeschrieben, teils in seltsam nichtssagender und schlechter Formulierung, was schwanen lässt, der Person hat überdies keine Ahnung von Dada.

Zu den Dadas, die eh schon bekannt sind, gibt es lange Lebensläufe – langweilig, auch weil diese überall verfügbar sind. Weitere Personen, die relevant für das damalige Geistesleben (bis inklusive das heutige) waren, werden nicht in ihrem Wert entsprechend gewürdigt und positioniert. Von manchen Personen hat man den Eindruck, sie wurden ausgewählt, um den Katalog aufzupeppen oder für lustik oder mutik: Oioioi Bakunin! Aber wo sind dann Freud, Lenin, Marinetti?

Durchs Band eine grob lückenhafte und inhaltlich schlechte Recherche, vermutlich nur schnell ins Internet gekuckt und weil keine Ahnung von der Materie, auch keine Idee, wie und wo weitersuchen, geschweige denn bloss schon in fremdsprachigen Wikipedias. Es ergibt sich kein Bild des damaligen internationalen Geflechts, keine Ahnung wird einem möglich; wir haben vor uns lediglich eine lieblos hingeworfene Handvoll Würfelzucker, achtlos halb zertreten.

Steckt dahinter ein Topshot-Oberflächenkurator (Putzfrau?) auf Handy-Niveau?

Wirklich ärgerlich, wenn man bedenkt, welches Potential in dieser Buchidee steckt.

 

 

 

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